Durchs Baltikum:
Polen - Litauen - Lettland - Estland
Endlich war es wieder mal soweit,
der Urlaub stand vor der Tür. Wir hatten vor, über Polen bis
nach Estland durchs Baltikum zu reisen. Mit zwei Landy`s machten wir (Jens,
Dominic, Susanne und ich) uns Anfang Juli auf den Weg gen Osten.
Über die neue Ostseeautobahn gelangten wir
schnell bis zur Insel Rügen, welche unser erstes Etappenziel darstellte.
In der Nähe von Binz, kurz vor der Kulturkunststadt Prora schlugen
wir unser Camp auf. Der Platz lag direkt am Wasser und hatte einen schönen
sauberen Strand. Am Abend sahen wir uns noch die Promenade von Binz an.
Dort sieht man die typischen deutschen Touristen: Kurze Hose, Tennissocken
und Ledersandalen. Ein Restaurant grenzt an das nächste und es ist rappelvoll.
In manchen Lokalen wird Livemusik gespielt, die einem das Blut in den Adern
gefrieren lässt. So schlechte Musiker muss man erst mal finden!
Am nächsten Tag fuhren wir an einem 5 Km langen
Gebäude, dem KDF-Museum von Prora entlang, welches ursprünglich
mal als Erholungsort für den deutschen Arbeiter in den 40ger Jahren
gedacht war und später von der NVA genutzt wurde.
Weiter ging es über Sassnitz zum Königsstuhl
bzw. Kreidefelsen. Wie überall in Deutschland wird man erst beim Parken
abgezockt und dann am Königsstuhl noch einmal. Hat man die "Aussicht"
genossen, fragt man sich wofür man eigentlich Eintritt bezahlt hat.
Naja, egal, gesehen, geärgert, auf nach Usedom.
Die Insel gefiel uns schon besser als Rügen. Wir beschlossen unser
Lager für die Nacht am Achterwasser beim Hafen von Stagnitz aufzuschlagen.
Dort war es recht nett und Dominic sorgte auch noch
für ein gemütliches Lagerfeuer.
Kreidefelsen
Polen
Tags darauf folgte der Grenzübertritt zu Polen.
Es ging recht zügig, wenn auch etwas nervig von statten. Die an der
Grenze aufgestellte Signalanlage brachte eigentlich nur Verwirrung, da
die Polen gefahren sind wann sie wollten. Durch Szsecin (Stettin) fuhren
wir wieder Richtung Küste. Was die Häuser grau in grau sind,
machen die Polen mit bunten Werbeplakaten wieder wett, was jedoch die Orientierung
nicht gerade erleichtert. Durch die viele Werbung ist natürlich kein
Platz mehr für Ausschilderungen. Zudem haben die Polen einen, gelinde
gesagt, eigenwilligen Fahrstil. Die Autobahn Richtung Norden ist in einem
erbärmlichen Zustand. Der Fahrbahnbelag wechselt von Beton über
geflicktem Teer zum Kopfsteinpflaster. So wunderte es uns auch nicht
weiter, als wir den ersten Radfahrer auf der Autobahn überholten.
Die Landstraßen sind besser zu fahren und die kleineren Verbindungsstraßen
sind häufig noch schöne Alleen mit altem Baumbestand. Allerdings
sind auch diese Straßen alles andere als gerade, aber an die ständige
Schaukelei gewöhnt man sich schnell.
Der Campingplatz in Mielno, unserem nächstem Halt, ist deutlich unter deutschem Standart, er stimmte uns aber schon mal auf die folgenden Campingplätze im Baltikum ein. Weiter ging es ostwärts durch den beliebten Urlaubsort Puck auf den Mierzeja Helska, einem der Nehrung ähnlichem Streifen Land in der Ostsee. Wir sind bis zum Ende nach Hel gefahren. Fast jeder dort vermietet seinen Garten als gebührenpflichtigen Parkplatz. Etwas Besonderes zu sehen gibt es dort aber nicht. Das ganze Gebiet ist wie alle anderen Touristenorte auch. Überall sind Campingplätze und Hotels und es wimmelt von kleinen Trinkbuden und Souvenirshops. Auch in Polen gibt es den sonnenbrillenbewehrten, Goldkettchen tragenden Jetskifahrer, der um die Aufmerksamkeit der Strandschönheiten buhlt. Ich dachte immer da hat die Mittelmeerregion ein Monopol drauf, aber so kann man sich irren.
Fischer bei Mierzeja Helska
Wir fuhren dann über Gdansk, Malbork und Elblag weiter nach Osten, denn wir wollten Station in Masuren machen. Hinter Olsztyn beginnt eine sehr schöne Wald- und Seenlandschaft. Ostpolen hat uns deutlich besser gefallen als der westliche Teil. In Zetweg übernachteten wir auf einem Campingplatz, der von einem Holländer betrieben wird. Er liegt mitten in Masuren an einem kleinen See.
Auf dem Platz habe ich dann bei
meinem 110er die hintere Kardanwelle ausgebaut, weil sie seit einigen
Kilometern Geräusche gemacht hat. Es stellte sich heraus, dass
beim hinteren Kreuzgelenk ein Nadellager defekt war. Ich habe dann das
Gelenk ausgebaut. Leider hatten wir an Kreuzgelenken nur Ersatz für
den 109er mit, welches bei meinem 110er um ein paar Millimeter nicht passte.
Am nächsten Morgen verständigte ich den ADAC in München.
Es wurde abgesprochen, dass das benötigte Ersatzteil per Luftfracht
nach Vilnius in Litauen geschickt wird. Ich setzte die Fahrt mit gesperrtem
Mitteldifferential und Frontantrieb fort. Einige Kilometer weiter sah ich
ein mir bekanntes Teil im Rückspiegel auftauchen. Leider hatte ich
nicht daran gedacht, dass die Handbremstrommel nicht mehr mit den dafür
vorgesehenen Schrauben gesichert war. Durch das Fehlen der Kardanwelle hat
sie sich dann selbständig auf den Weg gemacht um Polen zu erkunden.
Nach kurzer Treibjagd wurde sie aber wieder dingfest gemacht und montiert.
Litauen
Über Elk und Suwalki kamen wir an die Litauische
Grenze. Die Ausreise aus Polen ging schnell. In Litauen mussten wir
dann noch an der Grenze eine Kfz-Versicherung abschließen. Bezahlt
werden kann diese Versicherung in fast jeder Währung. Für 5
Tage Gültigkeit haben wir ca. 20,-DM bezahlt. In Litauen selbst wird
sehr viel Landwirtschaft betrieben. Die Bauernhöfe sind viel kleiner
als bei uns. Sie bestehen in der Regel aus dunklen kleinen Holzhütten
mit ebenso kleinen Nebengebäuden und Scheunen. Das bestellen der Felder
geschieht mit Traktoren wie sie bei uns nicht mal in Museen zu finden
sind und meistens wird die Ernte mit Pferd und Wagen eingebracht. Zum
Teil werden die Felder noch per Hand bestellt. Das Stroh wird mit der
Heugabel per Muskelkraft verladen. Das Rindvieh wird einfach irgendwo angepflockt
und abends wieder zurückgeholt. Zäune gibt es keine. Man kommt
sich vor als fährt man ständig in einem Museum herum. Was wir
als romantisch empfinden ist für die litauischen Bauern jedoch harter
Alltag.
Unterwegs in Litauen |
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Den nächsten Tag verbrachte
ich fast ausschließlich damit, zum Flughafen von Vilnius zu fahren
und das Kreuzgelenk abzuholen. Der ADAC hatte es binnen 24 Stunden geschafft
das Ersatzteil dorthin zu liefern. Den Flughafen zu finden war schon ein
Problem. Nirgends ist etwas ausgeschildert. Hätte uns nicht ein Litauer
den Weg bis zum Airport gezeigt, indem er vorweg gefahren ist, würden
wir wohl noch heute dort herumirren. Jens war derweil ca.45 Km vor der Stadt
mit Dominic zurückgeblieben um einen Kühlerschlauch an seinem
109er zu reparieren. Die Kühlerschläuche an dem 109er machten schon
länger Probleme, die Universalschläuche (Tubano) rissen immer
wieder ein und mussten erneuert werden. Da es ein Samstag war, bin
ich mit Susanne losgefahren um das Gelenk noch vorm Wochenende aus dem Cargo-Terminal
abzuholen. Bis ich das Teil aus dem Zollgelände heraus hatte vergingen
gut 3 nervenaufreibende Stunden. Ich dachte bisher, unsere Bürokratie
wäre langsam und umständlich aber da können die Litauer allemal
mithalten. Als ich mit Susi zu den beiden anderen zurückkam, machten
wir uns auch gleich daran ein Lager für die Nacht zu finden. Ich habe
mich, da ich ja nur noch Frontantrieb an meinem Landy hatte, auch prompt
im Wald festgefahren.
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Festgefahren! |
Camp in Litauen |
Kirche bei Kaunas
Auf der Fähre (die übrigens
noch mit einem Holzdeck versehen war) zur Kurischen Nehrung machten wir
Bekanntschaft mit zwei Motorradfahrern aus Deutschland. (Hallo Ralf, hallo
Hacky) Sie gaben uns den Hinweis auf einen besseren Campingplatz in Sventoj,
welcher aber schwieriger zu finden ist. Nach dem Besuch der Nehrung und
ihren wunderschönen, über 60 Meter hohen Dünen bei Nida sind
wir erstmal zum "Fährterminal" nach Klaipeda gefahren, um Preise für
eine eventuelle Rückfahrt per Schiff einzuholen. Später haben
wir uns wieder mit Ralf und Hacky an einem ausgemachten Punkt getroffen und
sind mit ihnen zu dem besprochenen Campingplatz gefahren. Es war ein kleiner,
gepflegter Platz direkt beim Betreiber im Garten. Hier konnte ich auch in
dem privaten Werkraum des Eigentümers und mit seiner Mithilfe das Kreuzgelenk
in die Kardanwelle einbauen und alles wieder montieren. Endlich wieder ein
voll funktionstüchtiges und Allradgetriebenes Auto.
Achja- auf der Nehrung sind uns noch Wildschweine
(2 Bachen mit 10 Frischlingen) begegnet, welche aber, laut Unkenrufe von
Leuten die sie nicht gesehen haben, auf der Gehaltsliste des Litauischen
Fremdenverkehrsvereins stehen sollen.
Dünen bei Nida
Nahrung?
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Hafen in Joudkrante
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Lettland
Der folgende Grenzübertritt nach Lettland verlief
ohne Probleme. Als wir in Liepaja ankamen, regnete es wie aus Eimern. Da
es keine Kanäle für das Oberflächenwasser gab, stand fast
alles unter Wasser und die Fußgänger mussten sich überall
vor den wasserspritzenden Autos in Acht nehmen. Sehenswert ist die alte
Drehbrücke aus dem Jahre 1906. Sie ist noch mit Holzplanken belegt
und darf nur von Fahrzeugen bis 3 To und mit 10 Km/h befahren werden.
Bei der Überfahrt erlitten wir aber keinen Plankenbruch. Wir fuhren
weiter quer durchs Land auf zum Teil sehr schlechten Pisten mit Waschbrettmuster.
Es rappelte ganz schön in den Autos und alles an Gepäck wurde
ohne unsere Hilfe neu sortiert. In Jurmala, an der Bucht von Riga haben
wir dann einen Campingplatz mit warmen und sauberen Duschen gefunden. Die
Lettische Jugend ist dem Alkohol sehr zugetan und es haben auf dem Platz
auch einige Jugendliche, in einer der im Baltikum auf Campingplätzen
sehr beliebten kleinen Holzhütten, eine Party veranstaltet. Wir wurden
hartnäckig immer wieder eingeladen, doch mit ihnen zu feiern, was
wir aber ablehnten. Ihre Feier war erst zu Ende, als die Gardinen heruntergerissen
waren und die Fensterscheiben den leeren Flaschen in die Altglasverwertung
gefolgt sind. Sie sind dann wohl noch in der Nacht "abgereist" worden, denn
früh am nächsten Morgen wart keiner mehr gesehen und die Handwerker
waren schon wieder bei der Instandsetzung der Hütte.
immer geradeaus
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Estland
Der Küste folgend kamen wir zu unserem eigentlichem
Reiseziel Estland. Die Grenzformalitäten waren schnell erledigt und
wir fuhren noch am selben Tag bis nach Pärnu. Auf dem Campingplatz
bei Valgerama, kurz hinter Pärnu fanden wir Unterschlupf für
die Nacht. Die dortigen sanitären Anlagen waren das Schlechteste
was wir auf der bisherigen Reise gesehen haben. Duschen gab es gar nicht,
die Plumpsklos waren mit halben Schwingtüren ausgestattet und stanken
so sehr, dass man nicht in ihre Nähe kommen wollte. Die Waschbecken
erinnerten an alte Ölwannen ausgeschlachteter Landwirtschaftlicher
Nutzfahrzeuge. Dafür hatten wir eine einmalige Lage direkt am Wasser.
Spät abends zog dann ein Unwetter mit Sturmböen auf. Zwischenzeitlich
befürchtete ich, der Landy mit dem Dachzelt würde umkippen. Ich
hätte nie geglaubt was so ein Dachzelt aushält. Nicht ein Tropfen
Wasser ist hereingekommen. Leider sind auch die Toiletten Wasserdicht gewesen,
denn sie waren am nächsten Morgen noch genauso schmutzig wie zuvor.
bei Pärnu
Vom Fährhafen Virtsu aus
setzten wir über zur Insel Muhu. Diese ist über einen 3 Kilometer
langen Damm mit der größten Insel Estlands, Saaremaa verbunden.
Auf Saaremaa kann man an der ganzen Küste entlang auf Schotterpisten
die Insel umrunden. Der Ausblick ist besonders schön, wenn man bei
trockener Witterung im vorderen Fahrzeug sitzt. Bei Kaali haben wir noch
die 3000 Jahre alten Meteoritenkrater besichtigt. In Kuressaare, dem Hauptort
der Insel, steht noch eine schöne alte Bischhofsburg. Bei der weiteren
Umrundung der Insel kamen wir an der Südspitze zu einem Leuchtturm,
vor dem noch das Wrack eines Flüchtlingschiffes liegt. In der Nähe
von Kipi, wo wir unser Lager direkt an der Ostsee aufgeschlagen hatten, kamen
abends noch zwei Einheimische mit ihren Crossmaschinen und fuhren durchs
Wasser zu einer kleinen Sandbank um sich dort auszutoben. Ich hätte
mir solche Aktionen im Salzwasser verkniffen. Dominic hat dann noch Beute
in Form eines Kühlschranks gemacht, der angeschwemmt wurde. Zu unser
aller Bedauern war er aber leer. So wurde wieder mal der Grill aufgestellt
und unser eigener Proviant verzehrt.
Dann wurde es Zeit, uns auf den Weg nach Tallinn zu
machen. Jens hatte vorab über Internet Kontakt mit dem Estnischen Roverklub
aufgenommen und sie wollten sich gerne mit uns treffen. Außerdem wollte
am nächsten Tag eine weitere Internetbekanntschaft aus Deutschland
mit der Fähre in Tallinn ankommen.
In der estnischen Hauptstadt angekommen, haben wir
erst mal die Altstadt besichtigt. Tallinn besitzt eine sehr gut erhaltene
Stadtmauer aus dem 16. Jh. und den "Dicke Magarete" genannten Kanonenturm,
dessen Mauern bis zu 5 Meter dick sind. Die Oberstadt liegt auf einem 50
Meter hohen Kalksteinfelsen. Hier steht auch die Alexander-Newski-Kathedrale,
eine exakte Kopie der russisch-orthodoxen Kirche in Helsinki mit ihren 5
Zwiebeltürmen. In den verwinkelten Gassen der Unterstadt kann man shoppen
gehen oder sich kulinarisch verwöhnen lassen. Uns hat die Altstadt
sehr gut gefallen.
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Die Altstadt von Tallinn |
Auf dem Campinggelände unter
dem Fernsehturm von Pirita haben wir uns am späten Nachmittag mit
Guido und Elke getroffen. Sie waren mit ihrem Landrover 109 SIIa Ambulance
gekommen, mit dem Guido schon im letzten Jahr im Baltikum unterwegs gewesen
war.
Abends kamen noch Mitglieder des Estnischen Roverclubs zu Besuch.
Von ihnen bekamen wir sehr gute Tips, in welchen Gebieten wir Off-Road
fahren konnten und wo Burgruinen zu finden waren. Sie waren begeistert
von unserer Anwesenheit und es wurde viel gefachsimpelt und fotografiert.
In der Nacht gab es ein schweres Gewitter. Da wir direkt unter dem
314 Meter hohen Turm campten, krachte es ganz schön, wenn die Blitze
in das Gebäude einschlugen. Morgens trennten sich wieder unsere Wege,
denn Guido und Elke wollten nach Saaremaa und wir hatten vor, in ein Wald
und Sumpfgebiet zwischen Kuusaluu, Aegviidu und Tapa zu fahren.
Als erstes buchten wir in Tallinn
eine Rückfahrt mit der Fähre nach Rostock. So konnten wir ein
paar Tage länger in Estland bleiben. Dann besorgten wir uns eine
genaue Karte der Gegend, in die wir wollten. Das kurze Stück Autobahn
zwischen Tallinn und Kuusaluu war schnell bewältigt und schon stand
dem Off-Road Vergnügen nichts mehr im Wege. Wie Kristjaan vom Estnischen
Roverclub sagte: "Biegt irgendwo hinter Kuusaluu rechts ab und der Spaß
fängt an". Wir verbrachten drei herrliche Tage in dem Gebiet. Ein voll
gepackter
Geländewagen mit Dachzelt und zusätzlichen Wasser und Treibstoffkanistern
auf dem Dachträger, fährt sich im Gelände doch schon etwas
anders, als leer in der heimischen Kiesgrube. Als Jens sich einmal festgefahren
hatte, mitten in einem Sumpfgebiet, wurde die Bergung durch Insekten und
Wärme derart erschwert, dass wir zum nächstgelegenen See im Wald
fuhren und mit Klamotten ins Wasser gesprungen sind. Wir haben dort auch
gleich unser Lager aufgeschlagen und wieder mal Wäsche gewaschen. Da
es in Estland üblich ist, an den Seen Feuerholz in kleinen Hütten
aufzustapeln, war auch für ein gemütliches Lagerfeuer gesorgt.
Die erhofften Elche blieben jedoch auch hier aus. Ich glaube mit den Elchen
ist das genauso wie mit dem Yeti.... Das einzige was einem oft begegnet,
sind Bären. Entschuldigung, ich glaube auch nach der Rechtschreibreform
schreibt sich das wohl doch Beeren. Aber die gab es hier wirklich in
Hülle und Fülle. Als wir das Gebiet wieder verlassen wollten
stellten wir fest, dass mehrere Brücken über den Fluss
den wir überqueren wollten, nicht mehr passierbar waren. Wir mussten
einen großen Umweg fahren um wieder Asphalt unter die Räder
zu bekommen. Bei der einmaligen Gegend hat uns die längere Fahrt jedoch
nicht weiter gestört. Wir waren aber froh das wir in den Autos GPS-Geräte
zur Verfügung hatten, ansonsten wäre die Orientierung trotz Karte
sehr schwierig geworden, da sich eingezeichnete Wege einfach im Sumpf verliefen
oder im Wald bis zur Unkenntlichkeit zugewachsen waren.
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Im Sumpfgebiet |
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Unterwegs in Tarpa habe ich mir dann ein ca. 3x5cm großes Stück Eisen in den Reifen gefahren und musste ihn wechseln. Nur ein paar hundert Meter weiter war neben einer Tankstelle ein Reifenservice in einem Container untergebracht. Nach Besichtigung des Reifens wollte der Monteur versuchen ihn zu flicken. Also Reifen runter von der Haube und reingerollt. Das Reifenabziehgerät mussten wir mit zwei Mann von Hand mitdrehen weil es bei dem großen Reifen immer wieder stecken blieb. Es wurde dann fachmännisch ein Flicken eingeklebt und der Reifen wieder mit maschineller, von Muskelkraft unterstützter Hilfe aufgezogen. Der Monteur berichtete hinterher stolz das das sein bisher größter Reifen war, den er repariert hat. Anschließend ging es weiter über die Estnischen Alpen. Naja- zugegeben, 156 Meter ü.NN ist nicht wirklich hoch, aber für Estland... Bei Porkuni gibt es einen See mit schwimmenden Inseln, auf denen sogar Bäume wachsen, den mussten wir uns natürlich auch ansehen. Wer nun über den See rasende Inseln erwartet wird enttäuscht, interessant war es aber trotzdem.
Am Peipsi Järv, dem größten See Estlands, durch den die russische Grenze verläuft, fanden wir erst am Abend einen Campingplatz. Vorher hatten wir lange erfolglos nach einer Gelegenheit zum Wildcampen gesucht. In der Rezeption und gleichzeitiger Kneipe herrschte ein schummriges Licht. Wie sich herausstellte gab es zur Zeit wohl keinen Strom. Die Angestellte des Platzes konnte weder ein Wort Deutsch noch Englisch. Da unser Russisch und Estnisch sich auf dem gleichen Niveau befanden, wurde es eine heitere Anmeldung mit viel Lächeln und Schulterzucken. Letztendlich hatten wir dann auf dem ziemlich leeren Campingplatz einen Stellplatz mit schönem Ausblick auf den See. Außer uns waren nur noch zwei andere Pärchen mit ihren Zelten da. Duschen oder Wasser gab es auf dem Platz auch nicht.
Am nächsten Morgen mussten wir leider feststellen, dass uns eine Alubox voll mit Kleidungsstücken von Dominic und mir gestohlen worden war. Die herbeigerufene Polizei konnte auch kein Deutsch oder Englisch, daher war es etwas umständlich, den Vorfall zu schildern. Mit Hilfe des Bruders des Campingplatzbesitzers, gelang es aber doch. Der Polizist hat dann sogar eine ähnliche Box fotografiert und wollte weitere Nachforschungen anstellen. Die Kiste haben wir aber, wie zu erwarten, nie wieder gesehen. Der Polizist hat den ganzen Vormittag in der Kneipe fleißig "ermittelt" und war bei unserer Abfahrt immer noch dabei. Schade, dass wir keinen Platz zum Wildcampen gefunden hatten, so wäre uns wohl eine Menge Ärger und Kosten erspart geblieben.
Wir sind dann am See entlang wieder Richtung Küste gefahren. Unterwegs haben wir erstmal Klamotten eingekauft. Dominic und ich hatten ja nur noch das an Kleidung, was wir getragen hatten und die Sachen die im Schmutzwäschebeutel gewesen sind und somit nicht mit gestohlen wurden. Da wir uns erneut mit Guido und Elke treffen wollten, fuhren wir an der Ostsee angekommen, westwärts Richtung Tallinn. In der Nähe von Karepa steht direkt an der Küste eine sehr schöne Burgruine, das Toolse-Castle. Die Burgmauern dieser einst wehrhaften Anlage drohen einzustürzen und werden teilweise von Stahlträgern gestützt um ein weiteren Verfall der Burg zu verhindern. Ein paar Kilometer weiter fanden wir einen guten Lagerplatz direkt am Strand. An der Estnischen Ostseeküste liegen überall große Felsen und Steine im Wasser. Diese seichten Küstenabschnitte sind scheinbar ein sehr beliebtes Brutrevier für Wasservögel. Vor allem Schwäne mit ihrem Nachwuchs sind dort häufig anzutreffen.
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Sonnenuntergang bei Karepa
Bei Kostivere haben wir uns dann ein Karstfeld angesehen. Dort fließt ein unterirdischer Fluss entlang und es gibt viele Erdspalten und ein paar Höhlen. Auf dem Gelände mussten wir, um die Spalten und Höhlen zu besichtigen, mitten durch eine Kuhherde hindurch. Es ist schon anders als bei uns, wie hier mit Sehenswürdigkeiten umgegangen wird. Keine gebührenpflichtigen Parkplätze, keine Einzäunung oder Eintrittsgelder.
Karstfeld bei Kostivere
An der Keibu-Bucht schlugen wir unser Camp wieder direkt an der Ostsee auf. Das Ufer war hier sehr steinig. Beim herumstromern am Strand, entdeckte Dominic eine Menge Fossilien zwischen den Steinen. Es wurde natürlich fleißig gesammelt und ich hatte schon bedenken, wie ich die Flut an Versteinerungen mitbekommen sollte. Nicki hat sich dann Gott sei Dank nur die schönsten ausgesucht und den Rest der Nachwelt hinterlassen. Am Abend sind dann Elke und Guido wie vereinbart zu uns gestoßen. Elke musste auch gleich noch mal mit Dominic los, um weitere Beute in Form von Fossilien zu machen. Beim Lagerfeuer wurden dann bis spät in der Nacht fleißig Geschichten von den erlebten Abenteuern ausgetauscht.
Treffen mit Guido und Elke
Am Morgen bekamen wir Besuch von
einem Estnischen Roverfahrer mit seinem Ninty. Er hatte schon gehört
das wir mit ein paar Landrover in Estland unterwegs sind und freute sich
und zu sehen. Wir sind dann mit Guido und Elke gemeinsam weitergefahren.
Drei Landrover hintereinander erregen in einem Land, wo diese Fahrzeuge
sehr selten sind ganz schön Aufsehen. Wenn zwei Fahrzeuge auf den Schotterpisten
vor einem fahren, sieht man fast gar nichts mehr. Auch sollte man die Fenster
geschlossen halten, ansonsten sieht es hinterher im Auto aus, als wären
ein paar Pulverlöscher losgegangen.
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Schotterpisten in Estland
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Wir fuhren Richtung Südosten,
denn wir wollten zum Vörtsjärv, dem zweitgrößten
See Estlands. Auf unserem Wunschzettel ganz oben, stand ein Campingplatz
mit einer vernünftigen Dusche. Der erste Platz, den wir in der Nähe
von Viljandi ansteuerten, vermietete lediglich Hütten in der Größe
von Playmobilhäusern. Der Zweite glänzte durch Abwesenheit und
der dritte Platz, als Beach-Kemping groß angepriesen, zeichnete
sich durch sanitäre Schweineställe und fehlende Duschen aus.
Wir sind dann bei Valma am Vörtsjärv wieder zum Wildcampen übergegangen.
Flugs mit der Shampooflasche in den See gesprungen und gewaschen, wie es
die Einheimischen auch machen. Und überhaupt, wer braucht schon so´ne
blöde Dusche. Am nächsten Tag trennten sich unsere Wege wieder,
denn Guido und Elke mussten weiter um ihre Fähre in Klaipeda zu
erreichen. Da unsere Fähre ab Tallinn fuhr, brachen wir in entgegengesetzter
Richtung auf. Bei Ardu machten wir uns wiederum auf die Suche nach einer
geeigneten Übernachtungsmöglichkeit. An einem kleinem See gab
es einen "Campingplatz", welcher noch kleinere Hütten zu vermieten
versuchte. Duschen gab es ohnehin nicht, so das wir uns wieder einmal seitlich
in die Büsche schlugen. Und sehen wir doch mal den Tatsachen ins Auge:
Duschen ist out! Also wieder die besagte Shampooflasche rausgeholt und
hinein ins kalte Nass. Man sollte jedoch darauf achten, dass das Shampoo
nicht gegen Schuppen wirkt, denn sonst geht es den Fischen an den Kragen.
Tags darauf sind wir über ein paar staubige Schotterpisten an den Fluss
Jägala gefahren. Dort gab es zur Abwechslung mal fließend Wasser
zum Waschen. Es war anfangs so kalt, dass das Wasser auf der Haut brannte
aber wenn man erst mal drin war, war es herrlich. Auch hier warteten wir
vergeblich auf das Erscheinen eines Elchs oder etwas Ähnlichem. Wir verbrachten
dort eine ruhige Nacht, ohne von wilden Tieren gestört zu werden. Das
Wildeste, dass wir bemerkten, war eine Mofa die in einiger Entfernung
vorbeifuhr.
Die Strecke bis nach Tallinn war nicht mehr lang. Wir
steuerten wieder den Campingplatz in Pirita unterm Fernsehturm an, denn
dieser wusste durch warme Duschen zu überzeugen. Die auf dem Platz
befindliche Kneipe Bar 66 ist wohl auch gleichzeitig der Treffpunkt des
einheimischen Motoradclubs. Es herrschte ein ständiges kommen und gehen
der Biker. Da unsere Fähre erst am nächsten Abend ablegen sollte,
nutzten wir die verbleibende Zeit noch mit einem Besuch des Fernsehturms.
In 170 Meter Höhe ist das Restaurant Galaxy untergebracht (müsste
es dann nicht eigentlich "obergebracht" heißen?). Von hier aus
hat man eine tolle Aussicht auf die Umgebung und auf Tallinn selbst. Bevor
wir dann zum Fährhafen fuhren, haben wir erst noch mal die Autos und
Kanister voll getankt, da der Diesel hier um ca. 30% günstiger war
als zu Hause.
Rückreise
Anschließend ging es ohne Probleme durch die
Grenze und auf die Fähre. Nachdem das Gepäck in der Kabine (ohne
Dusche) verstaut war, verfolgten wir vom Sonnendeck aus das Auslaufen aus
dem Hafen. Das Schiff vibrierte und rumpelte wie ein alter Trecker. Kurz
nachdem Tallinn nicht mehr zu sehen war, fiel die erste Maschine aus.
Die Zweite ließ nicht lange auf sich warten und unterstützte
die Erste beim Nichtstun. So war es zwar angenehm ruhig auf dem Schiff aber
dafür kamen wir auch nicht mehr voran. Naja- irgendetwas ist ja immer.
So trieben wir eine Weile auf der Ostsee. Nach ca. 30 min. entschloss
sich eine der beiden Maschinen ihren Dienst wieder aufzunehmen. Die Andere
folgte nach kurzer Zeit und so machten wir wieder Fahrt. Damit war allerdings
auch das Rumpeln wieder da und das noch stärker wie vorher, denn wir
mussten die verlorene Zeit ja wieder aufholen. Jetzt hieß es
erst mal das Schiff erkunden. Die Finnjet hat auf über 200m Länge
einige Restaurants und Kneipen zu bieten. Nach einem Besuch im Steakhaus
ging es in den Pub. Dort gab es Livemusik. Von Country über Oldies
bis zum Pop wurde alles gespielt. Sogar Pipi Langstrumpf auf Finnisch wurde
mit Unterstützung einiger schwer angetrunkener Skandinavier gegrölt,
was aber der Stimmung keinen Abbruch tat. Im Nachtclub wurde Can-Can zum
Besten gegeben, was jedoch nicht unserem Geschmack entsprach. Susi verbrachte
die Nacht mit umherstromern, da sie bei dem Gerumpel der Fähre kein
Auge zubekommen hat. Wir anderen schliefen trotz des Kraches wie die Murmeltiere.
Anderntags sahen wir uns im Duty-Free Shop um. Die Preise waren, obwohl Zollfrei,
noch über denen in Deutschland. In Rostock ging es von der Fähre
gleich auf die Autobahn. Da musste man sich erst mal wieder umstellen,
bei so viel Verkehr. Und Wenden darf man ja auch nicht einfach so auf der
Bahn. Es war schon erdrückend, wieder im hektischen Deutschland zu
sein und ich freute mich noch vor der Ankunft zu Hause auf die nächste
Tour.
Nach 5372 Kilometern, einer kaputten Kardanwelle und
unzähligen Kühlerschlauchreparaturen kamen wir ohne einen Elch
gesehen zu haben wohlbehalten zu Hause an. Das Baltikum war auf jeden Fall
eine Reise wert und ich hoffe, dass die baltischen Staaten sich noch lange
ihre Eigenheiten bewahren können.